9 Tipps für die Theaterfotografie
Ein Theaterschauspieler sitzt an einem Schreibtisch in einem dunklen Raum und zündet ein Streichholz an.

Überblick

9 Tipps für die Theaterfotografie

Du willst eine Theatervorführung fotografieren? Dann bist du abgesehen von den persönlichen Herausforderungen auch mit zahlreichen technischen Problemen konfrontiert. Die folgenden 9 Tipps sollen dir helfen, typischen Anfängerfehler in der Theaterfotografie zu vermeiden. Am Ende des Beitrags findest du außerdem eine Checkliste für die wichtigsten Kameraeinstellungen.

Tipp #1: Keine Angst vor hoher ISO

Als Theaterfotograf hast du keinen Einfluss auf die Lichtsetzung. Du musst das nehmen, was das jeweilige Lichtsetup vorgibt. Das Spektrum reicht von sehr gut ausgeleuchteten Szenen und Bühnenbildern (sehr selten), über Szenen mit wenig Licht (sehr häufig) bis hin zu fast völliger Dunkelheit (z.B. Schauspieler mit Streichholz in der Hand). Abgesehen davon können auch noch besondere Lichteffekte wie z.B. Projektionen zum Einsatz kommen. Der Fantasie der Regisseure und Beleuchter sind hier (fast) keine Grenzen gesetzt.

Daher muss oft ein ISO-Wert von 800, 1600 oder noch höher verwendet werden. Im ersten Moment kann das eine ungewohnte Erfahrung sein. Aufgrund der Fortschritte in der Kamera- und vor allem der Sensortechnik führen höhere ISO-Werte heute aber nicht mehr zwangsläufig zu unbrauchbaren, völlig verrauschten Bildern. Neuere Kameramodelle sind in der Lage, auch bei höheren ISO-Werten akzeptable Ergebnisse zu erzielen. Das gefürchtete ISO-Rauschen hat dadurch viel von seinem Schrecken verloren.

Im Übrigen ist auch die Leistungsfähigkeit der Bildbearbeitung nicht zu unterschätzen. Die üblichen RAW-Converter wie Lightroom und CaptureOne bieten geeignete Werkzeuge, um Bildrauschen deutlich zu reduzieren. Außerdem gibt es mittlerweile spezialisierte Programme wie Topaz DeNoise AI oder DXO DeepPRIME, die im Einzelfall ebenfalls hervorragende Ergebnisse bei der Reduktion des Bildrauschens erzielen. TIPP: Viele dieser Programme können zeitlich beschränkt als Gratis-Testversion heruntergeladen werden. Wo deine persönliche Grenze für ein noch akzeptables ISO-Rauschen liegen, musst du für dich selbst herausfinden. Allgemein wird aber der Grundsatz gelten müssen, dass ein verrauschtes Foto immer noch besser ist als gar kein Foto.

Szene aus Theaterstück. Mann steht auf Tisch.
Ein Beispiel dafür, dass moderne Kameras auch mit extrem schlechten Lichtverhältnissen umgehen können. Szene aus „Im Spiegel“, Philipp Kaplan, Pygmalion Theater.

Tipp #2: Manueller Modus

Verwende an deiner Kamera immer den manuellen Modus (M). Bei der Theaterfotografie brauchst du zu jedem Zeitpunkt die volle Kontrolle über die Belichtungseinstellungen und die Art und Weise, wie die Kamera die Fotos aufnimmt. Nur so kannst du z.B. bei einem plötzlichen Lichtwechsel von hell zu dunkel sofort eingreifen und eine korrekte Belichtung sicherstellen.

Tipp #3: Objektive & Brennweiten

Die Auswahl des Objektivs hängt einerseits vom Standort ab. Wenn du dich nur im Zuschauerbereich oder weit hinten im Theater auf der Galerie bewegen darfst, werden längere Brennweiten erforderlich sein, als wenn du mitten im Geschehen vor oder neben der Bühne dabei ist. Andererseits sollte das Objektiv so lichtstark wie möglich sein und eine möglichst flexible Verwendung zulassen. Als „Grundausrüstung“ sind daher jedenfalls ein lichtstarkes Standardzoom-Objektiv 24-70 mm und ein Teleobjektiv 70-200mm, jeweils mit durchgehender Blende f 2.8, anzusehen.

Abgesehen davon macht es aus meiner Erfahrung Sinn, auch deutlich lichtstärkere Festbrennweiten dabei zu haben. Wenn ich nahe an die Bühne heran kann, verwende z.B. sehr gerne ein Standardobjektiv mit 50mm 1,4 oder sogar ein leichtes Weitwinkelobjektiv mit 28mm 1,4. Damit gelingen mitunter sehr intensive Aufnahmen. Wenn ich nicht so nah an die Bühne herankomme, habe ich auch schon mit Portrait-Festbrennweiten mit 85mm 1,2 und 135mm 2,0 tollen Ergebnisse erzielt.

Fotografiert mit Festbrennweite 28mm, f 1.4. Szene aus „Geschichte einer Tigerin“, Vlad Gavris, Pygmalion Theater.

Übrigens: Während der Aufführung bleibt kaum Zeit, um das Objektiv zu wechseln. Außerdem ist es meist dunkel und das Wechseln der Objektive auch aus diesem Grund schwierig. Daher verwenden viele Fotografen zwei Kameragehäuse mit Kameragurt, um schnell zwischen verschiedenen Brennweiten wechseln zu können.

Tipp #4: Kurze Verschlusszeit

Die kürzeste akzeptable Verschlusszeit hängt von zwei Faktoren ab:

  • Verwackelungsgrenze: Das ist die kürzeste Verschlusszeit, mit der aus der freien Hand noch ein scharfes Bild ohne Verwackelungsunschärfe möglich ist. Als Daumenregel gilt: die kürzeste mögliche Verschlusszeit entspricht dem Kehrwert der gewählten Brennweite (gerechnet auf Vollformat). Wenn also z.B. ein an einer Vollformat-Kamera ein entsprechendes Zoom-Teleobjekt mit dem Brennweitenbereich 70-200 auf 160 mm eingestellt ist, beträgt die kürzeste mögliche Verschlusszeit 1/160 Sekunden. Neuere Kameramodelle verfügen heute oft über einen Bildstabilisator (IBIS). Dadurch kann die Verwackelungsgrenze heute oft deutlich niedriger liegen, d.h. längere Verschlusszeiten und damit (noch) scharfe Bilder aus freier Hand erlauben.
  • Für die Verschlusszeit gibt es aber eine weitere (engere) Einschränkung aus der so genannten Bewegungsunschärfe. Sobald nicht nur rein statische Bühnenbilder sondern Menschen in Bewegung fotografiert werden, muss die Verschlusszeit auch so kurz gewählt werden, dass die Bewegung vor der Kamera „eingefroren“ und die Person(en) somit scharf abgebildet werden. Bei eher statischen Situationen (z.B. einem Monolog mit wenige Bewegung) kann bereits eine Verschlusszeit von 1/125 oder 1/250 Sekunden ausreichend sein. Wenn hingegen sehr schnelle Bewegungen (z.B. während einer Tanzeinlage) stattfinden, kann eine Verschlusszeit von 1/1000 erforderlich werden. Ich persönlich folge dem Ratschlag: Lieber verrauscht als verwackelt. Daher unterschreite ich im Normalfall bei bewegten Szenen nie eine Verschlusszeit von 1/400 oder besser 1/500 Sekunden.  

Die Kunst ist es nun, während einer Aufführung permanent die kürzeste erforderliche Verschlusszeit zu verwenden um ein (noch) scharfes Bild zu produzieren, und bei Bedarf die Blende (soweit nicht bereits die maximale Offenblende eingestellt ist) und vor allem den ISO-Wert zu verändern, um eine ausreichende Belichtung des Bildes sicherzustellen. Naturgemäß ist es dabei das Ziel, die Kombination aus Verschlusszeit, Blende und ISO so zu wählen, dass einerseits keine Verwackelungs- oder Bewegungsunschärfe entstehen und andererseits die ISO so niedrig wie möglich bleibt, um eine maximale Bildqualität zu erreichen. Auch hier zeigt sich wieder: Verwende den manuellen Modus. Nur so hast du die volle Kontrolle.

Tipp #5: Autofokus richtig einstellen

Verwende nicht den Einzel-Autofokus (oft auch als „AF-S“ bezeichnet), sondern immer den kontinuierlichen Autofokus. Dieser wird von den verschiedenen Kameraherstellern unterschiedlich bezeichnet (meist „AF-C„, Autofokus „continous“ oder ähnliches). Sobald der Auslöser der Kamera halb durchgedrückt wird, wird dann die Schärfe im Autofokus-Punkt ständig automatisch von der Kamera nachjustiert. Das hat den Vorteil, dass ein sich bewegendes Motiv im Fokus bleibt, auch wenn es sich zwischen dem (erstmaligen) Scharfstellen und dem durchdrücken des Auslösers noch bewegt.

Tipp #6: Umgang mit LED

LED-Beleuchtungen haben längst auch im Theater Einzug gehalten. Der Vorteil liegt auf der Hand: LED erzeugen kaum Wärme (im Vergleich zu klassischen Bühnenscheinwerfern) und verbrauchen auch deutlich weniger Energie. Aus fotografischer Sicht haben sie aber einen entscheidenden Nachteil: LED erzeugen „pulsierendes Licht„, d.h. sie schalten sich mit der gleichen Frequenz wie das sie versorgende Stromnetz ständig ein und aus. Für Europa mit seinen 50 Hz Stromnetz bedeutet das, dass sich die LED fünfzigmal pro Sekunde ein- und ausschaltet. Für das menschliche Auge ist das nicht zu erkennen. Der Kamera entgeht das aber nicht. Während der mechanische Verschluss bei den meisten Kameramodellen gut mit LED umgehen kann, offenbaren sich die Probleme vor allem bei der Verwendung des geräuschlösen elektronischen Verschlusses. Die Folge sind unschöne Streifen, die sich horizontal durch das Bild ziehen.

Beispiel für Streifenbildung durch LED-Licht.

ACHTUNG: Die Streifenbildung kann nachträglich in der Bildbearbeitung praktisch so gut wie nicht mehr beseitigt werden. Daher ist es wichtig, als Fotograf sofort zu reagieren, wenn die Streifen im elektronischen Sucher oder am Display sichtbar werden. Was kann man konkret tun (aus eigener Erfahrung):

  • Viele moderne Kameras verfügen über einen mehr oder weniger leistungsfähigen Anti-Flimmer-Modus (Anti-Flickering). Es kann nicht schaden, auszuprobieren ob dadurch Abhilfe geschaffen werden kann.
  • Ansonsten kann das Problem meist dadurch behoben werden, dass vom (geräuschlosen) elektronischen Verschluss auf den mechanischen Verschluss gewechselt wird.
  • Wenn das auch nicht hilft (oder wegen dem damit verbundenen Auslösegeräusch nicht möglich ist): Verschlusszeit ändern. Das Problem der Streifenbildung tritt umso intensiver auf, je kürzer die Verschlusszeit ist. Daher nach Möglichkeit die Verschlusszeit variieren und nach Möglichkeit eine längere Verschlusszeit wählen. Das birgt natürlich die Gefahr von Bewegungsunschärfe.
  • Bilder in Schwarz-Weiß umwandeln. Wenn alles nicht hilft und die Streifenbildung sehr störend ist, kann man sich noch damit behelfen, das Bild später in der Bildbearbeitung in Schwarz-Weiß umzuwandeln. Im Normalfall verschwinden dadurch die Streifen.

Tipp #7: Lichtstimmung und Weißabgleich

Theaterfotografie ist (auch) Reportagefotografie. Es geht darum, dem Betrachter des Bildes einen möglichst unverfälschten Blick auf das Bühnengeschehen zu zeigen. Das Ziel ist es daher, die Lichtstimmung des Stücks so authentisch wieder zu geben wie möglich. Dementsprechend ist der Weißabgleich so zu wählen, dass er die Farben möglichst wenig verfälscht und so zeigt, wie das menschliche Auge sie im Zuschauerraum sieht. Grundsätzlich empfehle ich, die Dinge hier einfach zu halten und den automatische Weißabgleich der Kamera zu verwenden. Bisher habe ich damit sehr gute Ergebnisse erzielt. Alternativ wäre es auch möglich – vor allem bei Stücken ohne erhebliche Lichtwechsel – den Weißabgleich vorab manuell einzustellen.

Tipp: Wenn im RAW-Format fotografiert wird, kann der Weißabgleich später verlustfrei angepasst werden. Insofern verlagerten sich dieses Thema primär in den Bereich der Bildbearbeitung.

Tipp #8: RAW-Format

Es kann auf den ersten Blick verlockend sein, direkt im JPEG-Format zu fotografieren und gleich die „fertigen“ Bilder auf der Speicherkarte zu haben. Trotzdem empfehle ich dringend, das RAW-Format zu verwenden. Dadurch hast du bei der Nachbearbeitung deutlich mehr Spielraum z.B. für verlustfreie Anpassung des Weißabgleichs, das Aufhellen von Schatten bzw. das Abdunkeln von zu hellen Bereichen, die Rettung von Spitzlichtern usw.).

Tipp #9: Bildbearbeitung

Theaterfotografie ist dokumentarische Reportage-Fotografie. Die Bildbearbeitung hat sich daher im Regelfall auf kleinere Korrekturen der Belichtung oder des Bildausschnitts zu beschränken. Wichtig ist vor allem, durch die Anpassungen – vor allem beim Weißabgleich – nicht die Lichtstimmung zu verfälschen. Die im Theaterstück verwendete Lichtsetzung, Intensität und Lichtfarbe ist das Ergebnis umfangreicher Überlegungen des Regisseurs und Lichtdesigners. Diese (vorhandene) Lichtdesign ist ein wesentlicher Teil der Inszenierung und muss sich so auch in den Fotos wieder finden. Aus diesem Grund haben auch Presets oder andere Bildlooks (LUTs) nichts in der Theaterfotografie verloren.

Noch ein paar Worte zum Thema Schwarz-Weiß. Früher wurde im Theater praktisch ausschließlich schwarz-weiß fotografiert. Dann setzte sich der Farbfilm durch, und spätestens mit dem Wechsel zur digitalen Fotografie gilt der Grundsatz, dass Theaterfotografie in Farbe stattfindet. Nicht zuletzt ist das auch den intensiven modernen Lichtdesigns der Inszenierungen geschuldet. Daraus folgt, dass die Bilder grundsätzlich in Farbe im RAW-Konverter entwickelt werden sollten und nur einzelne Bilder zusätzlich und/oder in einem gewissen Umfang wie vorab mit den Verantwortlichen abgesprochen Bilder auch in schwarz-weiß geliefert werden sollten. Ich persönlich setze Schwarz-Weiß-Bearbeitung sehr gerne bei behind the scenes-Aufnahmen ein.

Zeit Schauspieler hören der Regisseurin zu
Probenbesprechung in der Schauspielschule Krauss | Nina Pichler, Christoph Lukas Hagenauer

Checkliste für Kameraeinstellungen

Ausgehend von den obigen Ausführungen empfiehlt sich aus technischer Sicht folgende Checkliste für die Kamera:

  • Batterie geladen, Reservebatterie bei der Hand?
  • Speicherkarten eingelegt und formatiert?
  • Aufnahmemodus der Bilder im RAW-Format (um später entsprechende Reserven bei der Bildbearbeitung zu haben, z.B. für Anpassung des Weißabgleichs, aufhellen von Schatten bzw. abdunkeln von zu hellen Bereichen, Rettung von Spitzlichtern usw.)
  • Manueller Modus (M)
  • Kontinuierlicher Autofokus (AF-C)
  • Bildstabilisator / IBIS am Kamerabody und/oder Objektiv einschalten (sofern vorhanden)
  • Blende möglichst weit offen (vor allem bei dunklen Settings; beachte: vor allem bei älteren Objektiven kann es erforderlich sein, nicht mit der maximaler Offenblende zu arbeiten, sondern leicht abzublenden um eine ordentliche Schärfeleistung zu erzielen)
  • ISO so niedrig wie möglich und so hoch wie erforderlich für eine ordentliche Belichtung (sei bereit, zugunsten der erforderlichen kurzen Verschlusszeit auch „höhere“ ISO-Werte, z.B. 1600, 3200 oder mehr zu akzeptieren).
  • Wähle die Verschlusszeit so kurz wie möglich, um Verwackelungs- und Bewegungsunschärfe zu vermeiden (je nach verwendeter Brennweite und vor allem der erwarteten Bewegungsgeschwindigkeit des Motivs; im Regelfall nicht länger als 1/320 oder besser 1/500)
  • Weißabgleich auf Auto
  • Schalte alle Tonsignale an der Kamera aus (soweit möglich); Ziel ist es, die Kamera möglichst lautlos zu verwenden um nicht zu stören.
  • Verwendung mechanischer oder elektronischer Verschluss? (Achte auf LEDs in der Bühnenbeleuchtung und andere pulsierende Lichtquellen, die vor allem beim elektronischen Verschluss eventuell zu Streifenbildung im Bild führen können).
  • Anti-Flimmer-Modus aktiveren (falls vorhanden).

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Weiterführende Gedanken zu der Frage, wie du abgesehen von den technischen Grundlagen deinen Gestaltungsspielraum als Theaterfotograf:in trotz aller Beschränkungen kreativ erweitern kannst, findest du hier.

Bild von Paul Hesse

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